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Terror und Orchideen

In Kolumbien führen Militär, Guerilla und Drogenmafia seit Jahren einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Unter den Opfern sind immer mehr Kinder. "Ach, wissen Sie, dieses Land wird bei uns nicht so nachgefragt", sagt der nette Herr im Reisebüro und blättert weiter in den Prospekten. "Kolumbien? Kommt da nicht der Kaffee her? Und Orchideen, die kommen doch auch aus Kolumbien, oder?" Nur wenige Reiseveranstalter, so ergibt die Nachfrage im Reisebüro, bieten überhaupt Reisen nach Kolumbien an. Das Auswärtige Amt in Bonn warnt deutsche Touristen "weiterhin eindringlich vor Individualreisen durch Kolumbien."

Bilanz des Schreckens

Offiziell herrscht in Kolumbien kein Krieg. Und doch werden von den 34 Millionen Kolumbianern Jahr für Jahr etwa 26.000 Opfer der Gewalt. Nach Schätzungen von amnesty international wurden 1996 mehr als 1.000 Zivilisten von Sicherheitskräften und paramilitärischen Gruppen hingerichtet. Nach Festnahmen und Verhören durch Angehörige der Streitkräfte und Paramilitärs "verschwinden", wie es offiziell heißt, jährlich mehr als 120 Menschen. Hunderte Zivilisten werden jedes Jahr gekidnappt. Weite Gebiete des Landes sind zu "Sonderbezirken der öffentlichen Ordnung" erklärt worden, in denen das Militär schalten und walten kann, wie es will. Hunderttausende sind auf der Flucht vor dem Terror der Paramilitärs und den Bombardements der Armee. Für 1997 rechnen Menschenrechtsorganisationen mit 900.000 Menschen, die im Lande auf der Flucht sind.Mit 74 Morden pro 100.000 Einwohner liegt Kolumbien weltweit an der Spitze der Gewaltstatistik. Zwischen 1985 und 1992 wurden allein in der Stadt Medell­n 45.000 Jugendliche ermordet. Aufgeklärt werden die Morde und Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien nicht. Die Täter gehen in der Regel straflos aus. Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige des Militärs finden vor nur vor Militärgerichten statt und enden meist mit dem Freispruch der Angeklagten; ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht.

Armut und Gewalt

Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Über zehn Millionen Arme führen ein erbärmliches Leben in den Slums der Großstädte. Um die Inflation zu bekämpfen, hat die Regierung rigorose Sparprogramme beschlossen, die besonders die Sozialprogramme für die Armen treffen. 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze versprach die Regierung 1994. Tatsächlich aber nimmt die Arbeitslosigkeit seitdem gerade unter Jugendlichen zu. Nicht viel besser geht es den Menschen auf dem Land. Der Bürgerkrieg und die rückläufigen Erträge für landwirtschaftliche Produkte haben die Lebenssituation der ländlichen Bevölkerung verschlechtert.
"Die politische Kultur Kolumbiens ist autoritär, weil der Staat unfähig ist, die sozialen Probleme zu lösen", heißt es im Bericht von Humanidad Vigente, einer von terre des hommes unterstützten Menschenrechtsorganisation. Ob es um die Verteilung von Land, um die Ausbeutung von Bodenschätzen, um Streiks oder um den Kampf rivalisierender Banden und Drogenkartelle geht, immer ist Gewalt das Mittel, mit dem in Kolumbien Konflikte ausgetragen werden. Kaum eine Region bleibt vom Terror verschont:


  • Selbsternannte "Schutzgruppen", Jugendbanden und Polizei terrorisieren die Menschen in den Armen-vierteln. In Städten wie Medellín und Bogotá hat fast jede Familie Opfer dieser Welle von Gewalt zu beklagen.
  • In Kolumbien gilt die allgemeine Wehrpflicht. Es sind aber fast ausschließlich die Jugendlichen aus den Armenvierteln, die zum Militärdienst eingezogen und an vorderster Front im Krieg gegen die Guerilla eingesetzt werden. Viele Jugendliche kommen bei diesen Einsätzen ums Leben.
  • Im Chocó, der nordkolumbianischen Küstenregion, wehren sich Bauernorganisationen und die Gemeinden der Indianer gegen den Terror der Todesschwadronen und der paramilitärischen Verbände. Die Einwohner werden vertrieben, seit Konzerne reichhaltige Erdölvorkommen gefunden haben. Auch die wertvollen Edelhölzer werden rücksichtslos abgeholzt. Im Departement Sucre nehmen die Gewalttaten zu, seit paramilitärische Gruppen die Menschen von den Feldern vertreiben. Über Jahrzehnte haben sich die Bauern durch Landnahme diese Felder angeeignet und bewirtschaftet. 1988 registrierte man 51 Opfer der Gewalt; 1996 waren es 399. 18.000 Menschen haben die Region nach Angaben der kolumbianischen Bischofskonferenz bereits verlassen.
  • "Guerillabekämpfung" nennt das Militär die Sondereinsätze, bei denen Dörfer im Cauca und im Chocó bombardiert werden. Unter den Opfern sind auch Kinder: Die dreijährige Evelin Sandri Guevara de la Rosa befand sich gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern im Hafen von Yondó (Antioquia), als die Armee ohne Vorwarnung das Gebiet bombardierte. Das Donnern der Flugzeuge und die Explosionen erschreckten die Kleine so, daß davonlief und in den Fluß Magdalena stürzte. Die Eltern konnten sie nicht retten, das Mädchen ertrank. In einem anderen Dorf starb nach einem Bombardement ein Säugling. Todesursache: Herzversagen durch Schock!
  • Entführung und Schutzgelderpressung sind ein weitere Varianten des Terrors in Kolumbien. 40 Prozent der 981 Entführungen im Jahre 1996 gehen auf das Konto der verschiedenen Guerillaorganisationen. 264 Entführungen endeten mit der Befreiung der Geiseln durch die Polizei, 362 kamen - meist nach Zahlung eines Lösegeldes - frei. 52 Geiseln wurden ermordet. Der Preis für die Freilassung einer Geisel beträgt 100.000 bis fünf Millionen US-Dollar. Ein einträgliches Geschäft, nicht nur für die Guerilla, der auch Geschäfte mit der Drogenmafia nachgesagt werden.
  • Der Einfluß der Rauschgiftkartelle auf Politik, Wirtschaft und Militär ist allgegenwärtig. Selbst Staatsprä-sident Samper wird beschuldigt, Gelder der Mafia angenommen zu haben. Jeder Versuch, den Banden und Kartellen das Handwerk zu legen, wurde von diesen in der Vergangenheit mit Bombenterror und Anschlägen beantwortet. Am 21. März wurde der Redaktionsleiter der Zeitung El País, Gerardo Bedoya Borrero, ermordet. Sein Vergehen: Er hatte in einem Artikel ein härteres Vorgehen gegen die Drogenbosse gefordert.
  • Wer sich in Kolumbien für Menschenrechte und gegen die Gewalt einsetzt, muß um sein Leben fürchten. Das bekommen auch Partner von terre des hommes zu spüren: Im Juni wurden Mitarbeiter eines Projektes über mehrere Tage lang verfolgt, bedroht und aufgefordert, ihre Arbeit einzustellen. Zwei Projektmitarbeiterinnen mußten sich kurzzeitig aus der Arbeit zurückziehen. Anfang Juli tauchten im Elendsviertel "Popular Uno" in Medell­n Flugblätter der "Revolutionären Milizen" auf, die hier tätige Nicht-Regierungsorganisationen als "Staatsbüttel" denunzierten und die Einstellung der Projektarbeit forderten. Am 23. Juli 1997 wurden Domingo Santos Córdoba und Ricardo Hernández Gacia, Mitglied der Bauernorganisation ACIA, von selbsternannten Schutztruppen entführt, gefoltert und ermordet. Zwei von 57 Menschen, die an diesem Tag in Kolumbien Opfer der Gewalt wurden

Der Krieg und die Kinder

1991 unterzeichnete Kolumbien die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Artikel 38 verlangt von den Vertragsstaaten, die "Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren humanitären Völkerrechts" zu achten. Kinder, die das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen in kriegerischen Auseinandersetzungen nicht eingesetzt werden. Gegen diesen Artikel der Konvention verstoßen in Kolumbien alle Kriegsparteien. Seit 1994 ist es per Dekret Personen jeglichen Alters erlaubt, Mitglied von Wach-, Sicherheits- und Selbstverteidigungsgruppen zu werden. Daß keine Altersgrenze festgelegt wurde, steht im Einklang mit dem kolumbianischen Zivil- und Wirtschaftsrecht. "Mündig" ist danach ein Mädchen ab zwölf Jahren und ein Junge ab 14 Jahren. Vor diesem Hintergrund können derartige Selbstverteidigungsgruppen ungehindert auch Kinder und Jugendliche in ihre Dienste einspannen.
Die Organisation Humanidad Vigente hat jüngst mehrere Fälle dokumentiert. In Magdalena Medio wurden demnach Jugendliche zwangsrekrutiert. Nachdem man für sie eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte, setzte man sie eine längere Zeit bei Wachdiensten ein. Danach wurden sie ermordet, um so die Lebensversicherung zu kassieren. Die Rekrutierung von Kindern, ob zwangsweise oder "freiwillig", wird von allen Kriegsparteien praktiziert, auch von der Guerilla. Die staatliche Menschenrechtsorganisation schätzt, daß sieben bis zehn Prozent der Aufständischen zwischen 13 und 17 Jahren sind.

Schritte zum Frieden

Menschenrechtsvereinigungen, kirchliche Gruppen und Bauernorganisationen engagieren sich trotz der ständigen Bedrohungen für die Opfer des Krieges und gegen die Gewalt. Ihre Mitarbeiter brauchen viel Mut. Den hat Haidy, Koordinatorin des von terre des hommes geförderten Projektes "Flüchtlingshilfe Bogotá", das sich um vertriebene Frauen und Kinder in den Armenvierteln von Bogotá kümmert. "Was sollen wir machen?" fragt Haidy. "Wir können doch diese Menschen, die Hals über Kopf fliehen mußten, nicht nur sich selbst überlassen." Haidy weiß, wovon sie spricht - vor acht Jahren ermordeten Paramilitärs ihren Vater, einen Gewerkschaftsführer, und stellten die Familie vor die Alternative: Tod oder Flucht. Zunächst lebte sie in einem Flüchtlingslager, später kam sie nach Bogotá. "Für ein Landkind, und dann noch eine Schwarze, ist es sehr schwierig, in dieser Stadt zurecht zu kommen. Kein Mensch beachtet dich. Hilf dir selbst oder stirb."
Im Mittelpunkt der Arbeit der Flüchtlingshilfe Bogotá steht die psychologische Betreuung der Flüchtlinge, besonders der kriegstraumatisierten Kinder und ihrer meist mittellosen alleinerziehenden Mütter. Haidy und ihre Mitarbeiterinnen stellen aber auch Kontakt zu Menschenrechtsorganisationen her, die sich um die Aufklärung der Schicksale "verschwundener" Familienangehöriger bemühen. "Fast noch schlimmer als die erzwungene Flucht und Armut", sagt Haidy, "ist die Ungewißheit, ob unsere Männer leben oder tot sind. Wir befürchten das Schlimmste. Deshalb wollen wir wenigstens ihre Leiche, um sie zu beerdigen." 800 Familien wurden seit 1993 durch das Projekt betreut. In letzter Zeit entstanden auch kleine Kooperativen, in denen die Frauen und Jugendlichen handwerkliche Produkte herstellen und auf den Mark bringen.
"Red Juvenil" (Jugendnetzwerk) nennt sich der Zusammenschluß von Jugendgruppen in mehreren Städten. Unter den Jugendlichen in den Armenvierteln gibt es viele, die sich von der Drogenmafia und von Banden anheuern lassen. Sie glauben, als Auftragsmörder schnelles Geld zu machen. Damit nicht noch mehr Jugendliche Opfer des Terrors oder selbst Mitglied in den Banden werden, fordern die "Red Juvenil" eine bessere kommunale Jugendpolitik. Sie selbst entwickeln Freizeit- und Bildungsangebote für die jungen Leute im Viertel, bemühen sich um Jugendtreffs, Sportplätze sowie um Ausbildungsmöglichkeiten. Ein weiteres Ziel der Jugendgruppen ist die Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, damit nicht noch mehr Jugendliche aus den Armenvierteln zum Militär eingezogen werden und im Krieg gegen die Guerilla sterben. Allein in Medellín gibt es bereits 400 Jugendinitiativen und Gruppen, die sich im Jugendnetzwerk mitarbeiten. Es sind kleine Schritte auf dem Weg zum Frieden in Kolumbien.

terre des hommes, Deutschland

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